"Crazy World" hat eine sehr spezielle Bedeutung für mich. Anno 1990 hatte ich per Kuschelrock anhand von "Still Loving You" den Hardrock entdeckt und als dann bei Tele 5 im Nachmittagsprogramm der Clip zu "Tease Me Please Me" lief, war klar: diese Mucke wird angeschafft. Das Tape landete also unter dem Weihnachtsbaum und "Wind Of Change" war noch nichts weiter als eine gutklassige Ballade...
Aus der heutigen Sicht ist zu attestieren, dass die Scorpions mit "Crazy World" (ähnlich wie andere Veteranen wie AC/DC und Judas Priest) die 90er mit einem Paukenschlag-Comeback einläuteten, dass nicht wenige Fans positiv überraschte. Nach dem schwächelnden "Savage Amusement"-Album wurde hier neunmal durchgehend hochklassige Hardrock-Kost serviert (plus zweimal balladesk geglänzt) und eine deutlich gestiegene Spielfreude und Ambition an den Tag gelegt. Es scheint sich ausgezahlt zu haben, dass das Songwriting deutlich breiter innerhalb der Band verteilt und stellenweise auswärtige Hilfe bei Musik und Lyrics (Jim Vallance) in Anspruch genommen wurde. Dazu kommt eine sehr gute Produktion, für die Keith Olsen ins Boot geholt wurde. Außerdem wird, quasi als Gegenpol zu den beiden üblichen Balladen, insbesondere auf der "B-Seite" eine Schippe Heaviness und Dynamik draufgelegt - gerade "Money And Fame" (M: Matthias Jabs) und der Titeltrack liessen Riffs von der Leine, die ich damals schon unverschämt metallisch (und geil) fand.
Wenn ich's mir recht überlege, kann ich "Crazy World" keine bedeutende Schwachstelle bescheinigen. Der heutigen Status des Songs mit der Pfeiff-Melodie lässt sich mit der Erinnerung an die gute alte Zeit vor Hausfrauen-Popularität und Medien-Über-Präsenz überspielen. Und auch wenn ein Hochklasse-Album wie "Lovedrive" (9,5) eigentlich nicht hintenan stehen sollte, gibt's von mir für "Crazy World" die 10 - letztendlich für die bessere Ausgewogenheit.
Punkte: 10 / 10